Kampf gegen Terrorismus

27. Juli 2017

Innenminister fordern immer mehr Macht, ohne ihre eigenen Hausaufgaben zu machen.

Zweimal im Jahr treffen sich die Innenminister des Bundes und der Länder zu einer Innenministerkonferenz. Diese ist zwar kein in unserer Verfassung vorgesehenes Organ, ist aber seit 1954 etabliert und soll die länderübergreifende fachliche Zusammenarbeit auch auf der politischen Ebene verankern“. Kürzlich trafen sich die Innenminister in Dresden und diskutierten im Schwerpunkt über Gefahren durch Terror und Möglichkeiten, diesen besser abwehren und aufklären zu können.

Zum Ritual der Innenministerkonferenz gehört es, dass viele Länder-Innenminister im Vorfeld der Konferenz, neue und alte Vorschläge unterbreiten, um eine möglichst große Öffentlichkeit von ihren Forderungen und ihrem Einsatz zu unserer Sicherheit zu überzeugen. Es gibt geradezu einen überbietungswettbewerb an Vorschlägen, die uns mehr Sicherheit bringen sollen.

Dabei fällt auf, dass viele Forderungen der Innenminister und auch Gesetze, die in den letzten Jahren beschlossen wurden, darauf abzielen, den Sicherheitsbehörden mehr Informationen und Daten bereitzustellen. So gibt es bereits die anlasslose Vorratsdatenspeicherung der Telefon- und Internetverbindungen. Jetzt fordert Bundesinnenminister Thomas de Maizière auch eine Videoüberwachung mit biometrischer Gesichtserkennung, die automatisch Menschen erkennt und deren Bewegungen speichern und weiterleiten kann. Und unser Bayerischer Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erhebt die Forderung nach bundesweiter Einführung der Schleierfahndung, die wiederum jeden Bürger ohne Anlass erfassen können soll.

Es hat den Anschein, dass die Innenminister möglichst anlasslos, möglichst viele Daten von möglichst vielen Bürgern sammeln möchten. Die Grundidee dahinter ist simpel: Je mehr man über die Menschen und ihre Aktivitäten in diesem Land weiß, desto besser können Terroristen und Gefährder gefunden und dingfest gemacht werden.

Die Frage ist aber nun, ob diese Logik wirklich stimmt. Brauchen die Sicherheitsbehörden möglichst viele Daten von allen Bürgern, um dadurch die Gefährder und Terroristen zu identifizieren und so Terroranschläge zu verhindern?

Der Kolumnist, Blogger und Internetexperte Sascha Lobo hat dazu im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner Kolumne mit dem Titel „Unsere Sicherheit ist eine Inszenierung“ die Daten der seit 2014 verübten islamistischen Mordanschläge in der EU untersucht. Er hat sich dabei ausschließlich auf die öffentlich zugänglichen und nachvollziehbaren Quellen gestützt. Seine Erkenntnisse kann man wie folgt zusammenfassen:

"Seit 2014 verübten insgesamt 24 identifizierte Täter 13 islamistische Mordanschläge in der EU. Alle 24 Täter waren vorher den Behörden bekannt und alle 24 Täter konnten als gewaltaffin betrachtet werden, weil sie entweder in islamistische Kriegsgebiete fuhren oder behördlich bekannte Gewalttätigkeiten verübt hatten.

Aus dieser Analyse geht hervor, dass das Problem nicht die Identifizierung von Gefährdern oder Terroristen ist - denn, 100 Prozent der Attentäter waren den Behörden bekannt!

Es gibt also eigentlich keinen Grund für neue Gesetze mit noch mehr Massenüberwachung und der Erfassung von noch mehr Daten von allen Bürgern. Aber warum ist gerade diese Forderung nach mehr Überwachung Konsens zwischen den meisten Innenministern? Aus meiner Sicht gibt es drauf zwei Antworten.

Erstens: Geheimdienste und Sicherheitsbehörden haben aufgrund ihrer Aufgabe, auch bei der Unterstellung von ausschließlich positiven Absichten, immer das Bedürfnis nach maximalen Informationen. Und wenn es aufgrund von Terroranschlägen eine hohe Bereitschaft in der Bevölkerung und der Politik gibt, die Rechte und Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden auszubauen, dann ist dies eine willkommene Gelegenheit, die gerne von den Innenministern genutzt wird.

Zweitens: Wenn die Täter und Gefährder den Sicherheitsbehörden bekannt waren und diese auch auf Basis der aktuellen Gesetze alle notwendigen Handlungsmöglichkeiten gehabt haben, um die Täter festzunehmen oder zumindest am Verüben der Anschläge zu lindern, dann liegt die eigentliche Schwachstelle in den Innenministerien und Sicherheitsbehörden selber. Damit also in der Verantwortung der Innenminister. Darum ist eine Forderung der Innenminister nach strengeren Gesetzen erheblich einfacher, als sich mit den Schwächen unserer föderalen Sicherheitsstrukturen, den Informationsbarrieren und Eitelkeiten der Länder und nicht zuletzt mit der
eigenen Verantwortung der Innenministerkonferenz auseinanderzusetzen.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat die Forderungen der Innenminister als „Instrumentarium des Grauens“ bezeichnet. Wir brauchen eine neue Balance zwischen Sicherheit und Freiheit und nicht ein Überbieten bei der Verschärfung von Gesetzen.

Unsere Sicherheitsbehörden müssen der freien, offen und demokratischen Gesellschaft dienen! Sie müssen effizient geführt und aufgestellt werden und bedürfen strenger Kontrollen. Es ist die Aufgabe unserer gewählten Volksvertreter und von uns Bürgern darauf zu achten, dass unsere Gesellschaft offen und frei bleibt!

Keine Freiheit ohne Sicherheit – keine Sicherheit ohne Freiheit!

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